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Projekt „Elisabeth“ – Neue Birnen braucht das Ländle

DAS PROJEKT „ELISABETH“ DES VEREINS ZUR ERHALTUNG UND FÖRDERUNG ALTER OBSTSORTEN

Unsere alten Sorten sind Herzenssache, stellen sie doch einen wichtigen Genpool für die Zukunft dar. Aus meiner Sicht liegt der wahre Schatz heute in den wertgebenden Inhaltsstoffen – insbesondere Gerbstoffen und Säuren, die für eine Verarbeitung zu Schaumweinen oder unseren ‚Alkoholfreien‘ besonders wichtig sind. 

Leider hat sich die Umwelt in den letzten 150 Jahren verändert und damit sind Pflanzenkrankheiten in Europa angekommen, von denen bisher in unseren Breiten niemand eine Ahnung hatte. Die meisten Obstbaumsorten sind nicht sortentreu, d.h. aus dem Kern eines Boskop wächst nicht wieder ein Boskop, sondern die Vermehrung erfolgt mittels Aufpfropfens von Schnittreisern des Mutterbaumes.

 

Nur so entstehen stets unveränderte Sorten. Das ist von Vorteil, weil wir uns an bestimmte geschmackliche Eigenschaften gewöhnt haben. Im Blick auf die Klimakrise ist es ein erheblicher Nachteil weil eben nicht die stetige Veränderung des Erbgutes im Birnenkern und die Anzucht der daraus resultierenden neuen Wildlinge eine Selektion zulässt, die den Bäumen eine Chance gibt, sich an die sich wandelnden Bedingungen anzupassen.

So leidet auch die Champagner Bartbirne in den letzten Jahren sehr häufig unter der Bakterienkrankheit Feuerbrand (fire blight), die Infektion führt allzu oft zum kompletten Verlust der Bäume. Besonders bei sehr wüchsigen jungen Bäumen ist das Risiko sehr hoch und führt dazu, dass kaum mehr Nachpflanzungen stattfinden. Im Verein „Rettet die Champagner Bratbirne“ geht es neben der Erhaltung auch um die Förderung alter Obstsorten. Dr. Walter Hartmann ist nicht nur die treibende Kraft des Vereins und Autor des „Farbatlas Alte Obstsorten“, sondern einer der über Jahrzehnte erfolgreichsten Zwetschgenzüchter. In seinem Ruhestand hat er schon viel bewegt und so ist es nicht verwunderlich, dass er sofort bereit war, die Initiative zu ergreifen und ein Zuchtprojekt für Weinbirnensorten mit ins Leben zu rufen. So machten wir uns im Sommer 2019 zu Gesprächen ins Bayrische Obstzentrum auf, um Michael Neumüller ebenfalls für das Projekt zu gewinnen. Seine Aufgabe ist es aus den Samen der gekreuzten Früchte heraus die Anzucht der Bäumchen im ersten Jahr am Standort nahe München vorzunehmen. Als für diese aufwändige Vermehrung dann noch eine Spende durch ein Vereinsmitglied in London zugesagt wurde, stand dem Projektbeginn nichts mehr im Weg. Und auch der Projektname ‚Elisabeth‘ war klar – in memoriam einer Schwäbin, die sich zeitlebens für schwäbische Traditionen vor allem in Küche und Garten eingesetzt hat.

Sortenzüchtung bei Birnen erfordert Geduld und einen sehr langen Atem – die ersten sieben Jahre benötigt der Baum zum Wachsen, und erst dann erfolgt der Übergang in die Phase der ersten Fruchtansatzbildung. Ein Ergebnis mit einer angepassten Kreuzung ist wohl erst nach 20 Jahren zu erwarten – oder eben nicht. Unser Motto: jeder Mensch hat die Aufgabe, auch für die Nachkommenschaft etwas zu bewegen, und wenn man nichts probiert, ist nur eines klar – nämlich, dass man am Ende nichts vorzuweisen hat.


So ging‘s dann im Herbst 2019 mit der Suche nach geeigneten Vatersorten in unseren Obstwiesen los. Die Früchte wurden bonitiert und der Gesundheitszustand der Bäume überprüft, die geeigneten markiert und in die Kreuzungsliste aufgenommen. 

Vor dem Aufblühen der Bäume begann dann das „Eintüten“ der Zweige an den Mutterbäumen, damit keine der sich in den kommenden Wochen öffnenden Blüten einer von uns nicht gewollten Bestäubung ausgesetzt würde. Der »schwierigere Part der Pollengewinnung bedarf viel Erfahrung – kein Problem mit einem so kenntnisreichen Züchter wie Walter Hartmann und seiner Frau Hanna an seiner Seite.

Von den Vatersorten sammelten wir kurz vor dem Aufbrechen die prallen Blüten. Bei Hartmanns wurden sie in mühevoller Kleinstarbeit geöffnet und sämtlicher Pollen herausgeschnitten. Die Pollen wurden schonend getrocknet und schließlich sortenrein in Glasphiolen gefüllt. Zurück in Schlat begann Walter Hartmann sich als Biene zu betätigen: Das dichte Netz vom Mutterbaum wurde abgenommen damit Hartmann die Pollen vorsichtig mit einem Pinsel auf die offenen Blüten aufbringen konnte. Dann wurden die Zweige wieder sauber eingenetzt. Den Sommer über galt es zu warten, bis sich die Früchte mit dem neuen Erbmaterial im reifen Kern entwickeln würden.

Im September war’s soweit und zwei Sendungen mit Birnen und ihren wertvollen Erbmaterial gingen auf den Weg ins bayrische Hallbergmoos. Dort werden die Kerne sorgsam aus den Früchten gelöst. Sobald sie zu keimen beginnen werden sie in Töpfe gepflanzt. In der geschützten Atmosphäre eines Gewächshauses werden sich die Setzlinge hoffentlich gut entwickeln. Spätestens im Herbst 2022 sollen die Bäumchen dann in Schlat in einer Versuchspflanzung ihren Platz finden. Die Gemeinde Schlat hat hier schon signalisiert, für dieses weltweit einzigartige Projekt Flächen zur Verfügung stellen zu wollen. Die Bäume sollen gleich unter Realbedingungen des Standortes aufwachsen, sie müssen mit den klimatischen Bedingungen ebenso fertig werden wie mit dem möglicherweise vorhandenen Krankheitsdruck. Anders als bei Tafelobst wird die spätere Prüfung nicht eine klassische Auswahl nach Geschmack, Farbe, Lagerfähigkeit und Ertragsverhalten sein, sondern vor allem eine Prüfung nach der Verwendbarkeit zur Herstellung von Schaumwein und anderen flüssigen Spezialitäten.

Spenden für das Projekt sind unter dem Kennwort „Elisabeth“ an den Verein zur Erhaltung und Förderung alter Obstsorten „Rettet die Champagner Bratbirne“ auf das Konto:
BIC: MARBDE6G | IBAN: DE49610300000000009890 | Martinbank Göppingen möglich.

garantierte herkunft / tief verwurzelt / echter geschmack