Wir treffen Sonja Stark auf einem Waldparkplatz bei Neidlingen. Bis zu ihrer Streuobstwiese sind es nur noch ein paar hundert Meter, aber allein hätten wir den Weg vermutlich nicht gefunden. Ein baumbestandenes Bachufer trennt die Wiese von einem Feldweg. Zum Wald hin steigt das Gelände erst sanft und an manchen Stellen steil an. Natürlich kennt Stark jeden ihrer Bäume. Brettacher, Boskop und Berlepsch sind ihre Lieblingsäpfel. Dann ist da der kuriose Baum, der mit zwei Apfelsorten veredelt wurde, und die riesige Birne, die, soweit sie sich erinnern kann, seit ihrer Kindheit nur eimal Früchte getragen – hat bis zu diesem Jahr: im Herbst 2020 wird es wieder eine Ernte geben.
Mit ca.1ha ist diese Wiese die größte ihrer insgesamt vier WiesenObst Flächen, im Zuge einer Flurbereinigung wurde die ursprüngliche Streuobstwiese um das angrenzende Stückle erweitert.
Sonja Stark kommt oft hierher, auch wenn es keine dringenden Arbeiten zu erledigen gibt. Bei ihrem Rundgang folgt sie zunächst dem Bachlauf, bis sie an eine hohe alte Eiche mit einem Eulenkasten kommt. Hier war der Lieblingsplatz ihres Mannes, der bereits 1990 starb. Wenn es die Möglichkeit gegeben hätte, dann wäre ein Platz unter der Eiche seine letzte Ruhestätte geworden.
Über die Jahrzehnte hat viel Leben Erinnerungen geschaffen, kleine, große, wiederkehrende… Der Platz an dem, als ihre drei Töchter noch klein waren, immer das Tipi aufgestellt wurde, damit man im Sommer auch gelegentlich auf der Wiese übernachten konnte. Oder der Ort, wo nach Abschluss der Ernte immer das große Grillfest gefeiert wurde. Oder der große Stein, auf dem sie bei einem Besuch an einem heißen Tag eine sich sonnende Ringelnatter entdeckte und lange beobachtete. Und es gibt den Blick auf den Reussenstein, der im Verlauf der Jahreszeiten stets neu und anders ist.
Die Wiesen sind seit der Generation ihres Großvaters im Familienbesitz, vielleicht gehörten sie sogar schon den Urgroßeltern. Sonja Stark bewirtschaftet sie heute zusammen mit ihrem Bruder. Die Wiesen selbst sind an einen Landwirt verpachtet der Heu macht oder seine Schafe zum Grasen bringt. Ihre Eltern waren Nebenerwerbslandwirte, und Streuobst war für die Familie eine wichtige Einkommensquelle. Ihre inzwischen 88-jährige Mutter macht noch immer Apfelringe, Kompott von Kirschen und Zwetschgen, und sie bäckt Obstkuchen.