Die Obstraupe ‚Nimmersatt‘ stammt aus Linsenhofen

‚Die Generation, die noch Äpfel aufliest, stirbt aus‘, sagt Erhard Gneiting.

An einem wunderschönen, klaren Herbstnachmittag stehen wir auf seiner Streuobstwiese am Rande von Linsenhofen. Rotwangige Äpfel und buntes Herbstlaub vor dem Panorama des Hohenneuffen – es ist, als wären eine Broschüre des Württembergischen Fremdenverkehrsverbandes plötzlich lebendig geworden. Aber zurück zur Realität und den Äpfeln, die keiner mehr auflesen will. Gneiting interessiert sich schon lange für technische Lösungen des Problems. Bislang gab es jedoch nur Auflesmaschinen, die nicht nur laut, sondern für Stücklesbesitzer auch zu groß waren, und handbetriebene Geräte wie das ‚Wiesel‘, die wiederum für die meisten zu klein sind.

Im WiesenObst e.V. Newsletter entdeckte Gneiting eine Anzeige für eine Obstraupe, entwickelt von zwei österreichischen Agrarstudenten. Er beschloss, die beiden zu besuchen und sich die Raupe anzuschauen. Gneiting war so begeistert, dass er sofort ein Exemplar bestellte. Die Reise liegt schon einige Jahre zurück und die Obstraupe, die er uns jetzt vorführt, ist ein verbessertes Nachfolgemodell. Das Gerät hat etwa die Größe eines Rasenmähers für den Hausgarten und wird über einen gewöhnlichen Fahrradakku betrieben. Die Räder sind leicht schräg gestellt damit sie nicht über die Äpfel rollen – eine der Änderungen, die die Raupenerfinder aufgrund des Feedbacks der Nutzer bei diesem Modell umsetzten.

Die Obstraupe besteht fast ausschließlich aus Fertigkomponenten, die leicht zu bekommen sind. Und sie passt in den Kofferraum eines PKW, die Bügel können abgeklappt werden.

Mit wenig Kraftaufwand schiebt oder zieht Gneiting die Raupe über die Wiese. Das Gerät sieht einem Rasenmäher nicht nur ähnlich, man betätigt es auch so. Der Motor beginnt zu laufen sobald der Handgriff am Bügel (ähnlich einer Handbremse am Fahrrad) heruntergedrückt wird. Kunststofflamellen befördern die Äpfel nach oben, eine Bürste entfernt Laub und kleine Zweige, die durch ein Sieb nach unten fallen. Die Äpfel landen sanft in einer abnehmbaren, flachen Kiste. Sobald sie voll ist tauscht Gneiting sie durch die leere aus, die oben an der Raupe befestigt ist – das heißt man kann zwei Kisten füllen bis man die Äpfel abladen muss.

Die ersten Äpfel des Jahres liest Gneiting immer von Hand auf und wirft sie weg weil sie in der Regel faulig und wurmstichig sind. Die Obstraupe kommt erst zum Einsatz, wenn die Äpfel wirklich reif sind, bei späten Sorten kann das Ende Oktober oder sogar erst im November sein. Früher waren späte Sorten die Äpfel der Wahl für viele Landwirte erzählt Gneiting, sie wurden reif nachdem die Futter- und Getreideernte eingebracht und die Äcker neu bestellt waren. Und auch im Frühjahr bieten späte Sorten Vorteile: sie blühen später und sind daher durch späte Fröste weniger gefährdet.

Das Gras sei in diesem Jahr ‚saudackelhaft‘, merkt Gneiting an. Die Raupe funktioniert bis zu einer Grashöhe von 10cm, wenn es nicht besonders dicht ist kann es sogar noch etwas höher sein. Gneiting mäht dreimal im Jahr und nutzt den Schnitt zum Mulchen.

Das neueste Raupen-Modell ermöglicht den Anschluß zweier Akkus. .Die reine Laufzeit eines Akkus beträgt fünf Stunden, sind die Äpfel sehr groß verkürzt sich die Laufzeit etwas.

Das System ist insgesamt bis ins Detail durchdacht. Als Zubehör gibt es einen Sortiertisch, der genau auf einen Standard Einachs-Anhänger passt. Ein höhenverstellbares Holzgitter mit einer leichten Neigung – die Äpfel werden auf den Tisch geschüttet und können schnell sortiert werden bevor sie dann in eine ‚ordentliche‘ Kiste rollen, in der sie auch abgeliefert werden können. Für Gneiting ist das wichtig: sein Hauptgrund, dem WiesenObst e.V. beizutreten, ist sein Ärger über die geringen Preise, die für Streuobst gezahlt werden. Zertifiziertes WiesenObst wird gut entlohnt, das heißt für Gneiting aber auch, dass die Stücklesbesitzer Qualitätsware abliefern müssen: gut sortiert und sauber ausgelesen.

Die Obstraupe ist auch für das Aufsammeln von Birnen geeignet, die in der Regel empfindlicher sind als Äpfel.

Neben seinem Job als Nebenerwerbslandwirt und Tätigkeit als Gartenpfleger und Hausmeister für eine Wohnbaugesellschaft hat Gneiting gegen eine kleine Kommission auch den Vertrieb der Obstraupe in Schwaben übernommen. Die Kosten für die Obstraupe liegen bei etwa 2.200 Euro. Seiner Einschätzung nach ist das Gerät interessant für Stücklesbesitzer, deren Fläche zu groß ist, um das Obst von Hand aufzulesen, und zu klein für einen professionellen Obstsammler – eine Ernte von etwa 10t lasse sich gut bewältigen. Wer möchte kann sich (nach Vereinbarung) die Obstraupe im Einsatz anschauen – Herbstsonne über dem Hohenneuffen ist allerdings nicht garantiert.

garantierte herkunft / tief verwurzelt / echter geschmack