Karl Booß mag Streuobstwiesen seit seiner Kindheit. ‚Ich wusste immer, wo das Obst herkam‘, Obst zum Essen, zum Kochen und Backen, für Marmelade, Dörrobst im Winter und natürlich Saft. Die Streuobstwiesen versorgten die Familie das ganze Jahr über.
Booß Großeltern und seine Eltern hatten einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Milchkühen, Mastrindern und Ackerbau für Futtermittel. Er kann sich noch an die Zeit erinnern, als die Rinder unter den Bäumen weideten. Auf dem elterlichen Hof mit in die Pflicht genommen zu werden war nicht immer angenehm, erzählt er, aber in den Streuobstwiesen zu sein zählte für ihn nicht als Arbeit. Für den Umgang mit Bäumen habe er viel von seinem Vater gelernt. Schon als Jugendlicher engagierte er sich bei der Naturschutzjugend und den Grünen. Schon damals habe er sich immer gefragt, welche Konsequenzen der Pestizideinsatz in der Landwirtschaft für unsere Nahrung hat. ‚Streuobstwiesen sind der artenreichste Lebensraum in der Region, es wäre absurd dort Chemie einzusetzen‘, sagt Booß. Als er 2007 gemeinsam mit seinem Bruder Fritz von einem Onkel Streuobstwiesen erbte, war es keine Frage, dass sie biologisch bewirtschaftet werden würden.
Karl Booß ist eigentlich gelernter Landschaftspfleger und Gärtner, aber nach einigen Monaten in Israel und dem Zivildienst in der Diakonie in Stetten entschied er sich, Sozialpädagoge zu werden und arbeitet heute in einer Behinderteneinrichtung in Bad Boll. Die Obstwiesen sind Hobby und Leidenschaft geblieben. Etwa eine Woche im Jahr sind er und sein Bruder mit dem Schneiden der Bäume auf den insgesamt vier Flächen beschäftigt. Das Gras wird gemäht und gemulcht. Er wisse, dass daraus Heu zu machen besser für die Artenvielfalt wäre, aber das Mulchen sei in einem Tag erledigt und eine enorme Arbeitserleichterung. Im Herbst muss das gemulchte Gras von der Baumscheibe weggezogen werden, es wäre sonst das ideale Winterlager für Mäuse, und die wiederum schadeten den Wurzeln.
Bei der Ernte ist die ganze Familie beteiligt. Die Kinder können ihr Taschengeld aufbessern und das motiviert – die Älteste konnte sich endlich ein neues Mobiltelefon kaufen. In manchen Jahren gibt es so viel Obst, dass sie es auch gemeinsam nicht schaffen, alles aufzulesen, aber für Karl Booß geht es um mehr als Ertrag, es soll auch Spaß machen.
Inzwischen sind alle Flächen der Brüder über den WiesenObst Verein biozertifiziert. Rund 15 Zentner Obst braucht Familie Booß für den Eigenbedarf. Mit einer kleinen Presse werden 300 bis 400l Saft produziert. Was nicht benötigt wird liefern sie bei Boller oder der Manufaktur Geiger ab – wie es sich ergibt. Booß hat einige neue Tafelobstsorten wie Topaz und Elstar gepflanzt, aber unter ihren insgesamt etwa 30 Apfel- und Birnensorten sind viele WiesenObst Raritäten: Schweizer Orangenapfel, Rote Sternrenette, Josephine von Mechelen Birne, Palmische Birne, Geißhirtle… Einen Lieblingsapfel hat Karl Booß nicht. ‚Ich kann in den Keller gehen und überlegen worauf ich Lust habe, möchte ich lieber einen Glockenapfel oder einen Boskop? Seine Kinder lassen sich beraten: ‚Papa, welcher Apfel schmeckt mir?‘ sei eine durchaus übliche Frage. Während es die Älteste und der Sohn lieber süß mögen, hat Booß mittlere Tochter ihre Liebe zu Gewürzluiken entdeckt.
Inzwischen hat Karl Booß auch noch einen Roten Eisenapfel gepflanzt. Er habe gelesen, dass man diesen Apfel früher bis ins übernächste Jahr in Mieten eingelagert habe, und das wolle er unbedingt ausprobieren.
Booß erlebt seine Streuobstwiesen in jeder Jahreszeit als schön, es ist der stetige Wandel, der ihn fasziniert. Wenn er nach der Arbeit mit dem Rad unterwegs ist, fährt er an den Wiesen vorbei und schaut was sich seit dem letzten Besuch verändert hat. Er entdeckt stets Neues. Im Frühjahr ist die Blüte prachtvoll, dann kommt der Fruchtansatz der erkennen lässt, welche Ernte es von welcher Sorte geben wird. Er schaut nach Schädlingen und Nützlingen… ‚Es ist immer neu, es gibt etwas zu lernen‘. Und etwas, auf das er sich freut: Wenn die letzten Lageräpfel aufgebraucht sind kommen die Kirschen, dann die frühen Zwetschgen, die ersten Äpfel, Mirabellen, Pflaumen, die Haupt Apfel- und Birnenernte, und schließlich reifen wieder die Lageräpfel…